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Bundesweites Kfz-Kennzeichen-Scanning kommt

Um die Strafverfolgung bundesweit zu erleichtern, soll die automatische Nummernschilderfassung im Zuge einer StPO-Reform bundesweit zulässig und eine heimliche E-Beschlagnahme ermöglicht werden.

Von der Bundesregierung wird derzeit eine einheitliche Rechtsgrundlage geplant. Auf deren Basis soll es der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden wie dem Zoll möglich sein, zu Fahndungszwecken automatisierte Kennzeichenlesesysteme (AKLS) im öffentlichen Verkehrsraum zu nutzen. Am Mittwoch wurde hierzu ein Gesetzesentwurf zur „Fortentwicklung der Strafprozessordnung“ (StPO) vom Bundeskabinett gebilligt.

Gemäß dem in Vorbereitung befindlichen Paragrafen 163g StPO dürfen dann ohne das Wissen der betroffenen Personen von Ordnungshütern „Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung mittels Einsatz entsprechender technischer Mittel automatisch“ und „örtlich begrenzt im öffentlichen Verkehrsraum“ erhoben werden.

Im Anschluss ist ein Abgleich der Daten mit Kennzeichen von Kraftfahrzeugen zulässig, die auf Beschuldigte oder Verbindungspersonen zugelassen sind bzw. von ihnen genutzt werden. Zunächst war im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums nur ein allgemeiner Abgleich mit „Halterdaten“ in Betracht gezogen worden.

Scanning nur nach Straftat von erheblicher Bedeutung

Ein Kennzeichen-Scanning darf nur dann durchgeführt werden, wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen worden ist". Laut Juristen bezieht sich dieser recht unbestimmte Rechtsbegriff auf „gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig und „allgemein organisiert" begangene Verbrechen. Drogenkriminalität, Betrugsfälle sowie das Verbreiten von Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs gehören ebenfalls dazu.

Kann das Scanning „zur Ermittlung der Identität oder des Aufenthaltsortes des Beschuldigten führen“, ist es zulässig. Das gilt auch für den Fall, dass das Fahrzeugkennzeichen des mutmaßlichen Täters bekannt ist, der Name des Flüchtigen jedoch noch nicht. Laut Gesetzentwurf ist klar, dass diese Daten automatisch nur „vorübergehend und nicht flächendeckend“ erhoben werden dürfen. Wird ein Treffer nicht bestätigt oder liegt keiner vor, müssen die über das Scanning erhobenen Daten „sofort und spurenlos“ gelöscht werden.

Anordnung ausreichend

Um AKLS positionieren zu können, soll eine schriftliche Anordnung „der Staatsanwalt oder ihrer Ermittlungsperson“ ausreichen. In diesem Schreiben müssen die Stellen der Überwachung sowie die Halterdaten der Verdächtigen exakt bezeichnet werden. Ist Gefahr im Verzug, ist auch eine mündliche Anweisung möglich. Die Anordnung ist zu befristen, nicht angezeigt sei jedoch ein Richtervorbehalt.

Das Kabinett hat erläutert, dass das Kennzeichen-Scanning bereits seit vielen Jahren für die Gefahrenabwehr anlassbezogen in zahlreichen Bundesländern polizeilich angewendet werde. Allerdings sei dies mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden. Dieses Instrument könne bisher lediglich auf Paragraf 100h StPO gestützt werden. Um den Aufenthaltsort eines Beschuldigten herauszufinden, „dürfen auch ohne Wissen der betroffenen Personen außerhalb von Wohnungen Bildaufnahmen hergestellt werden“. Kennzeichen mit Datenbanken abzugleichen, werde damit jedoch nicht erlaubt. Insbesondere in Brandenburg ist das Kennzeichen-Scanning deshalb heftig umkämpft, hier sogar eine Verfassungsbeschwerde anhängig.

Dem Verfahren geschuldet ist die Tatsache, dass von der Kennzeichenerfassung viele Menschen betroffen sind, so die Regierung. Daher erscheine es „praktisch undurchführbar“, alle Personen anschließend über diesen Grundrechtseingriff zu informieren. Zudem sei dies verfassungsrechtlich so auch nicht festgeschrieben. Daher sollen nur Beschuldigte und deren Kontaktpersonen informiert werden.

Online-Durchsuchungen sollen geringfügig zunehmen

Außerdem möchte die Regierung mit diesem Gesetzentwurf, der Bundestag und Bundesrat noch passieren muss, sowohl den großen Lauschangriff in Paragraf 100b StPO sowie den Straftatenkatalog für heimliche Online-Durchsuchungen mit Staatstrojanern „geringfügig“ ausdehnen mit dem Zweck, sie „an die Bedürfnisse der Praxis“ anzupassen. Hinzukommen sollen weitere Straftaten aus den Bereichen Menschenhandel und Begleitdelikte, des banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrugs, außerdem Tatbestände aus dem Außenwirtschafts- und dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz.

Mit dieser Gesetzesreform werde die jährliche Anzahl heimlicher Online-Durchsuchungen von 12 auf 14 und die der Überwachung von Wohnräumen von 8 auf 9 ansteigen, so die Schätzung des Kabinetts. Zudem solle in größerem Umfang als bisher die klassische Überwachung der Telekommunikation bei bandenmäßiger Steuerhinterziehung ermöglicht werden.

Erleichterungen bei Zugriff auf elektronische Beweismittel

Insbesondere auf elektronische Beweismittel soll Ermittlern teilweise der heimliche Zugriff ermöglicht werden. Hierzu gehören:

• beim Provider gespeicherte E-Mails / Chats

• Inhalte eines Nutzerkontos bei sozialen Netzwerken

• in der Cloud gespeicherte Daten

 

Auf Basis des neuen Paragrafen 95a soll ihnen die Zurückstellung der Bekanntgabe einer Beschlagnahme bei Straftaten von erheblicher Bedeutung in bestimmten Konstellationen mittels gerichtlicher Anordnung ermöglicht werden. Solche Ausnahmen sollen Fällen vorbehalten sein, „bei denen sich der zu beschlagnahmenden Beweisgegenstand im Gewahrsam einer unverdächtigen Person befindet“. Prinzipiell bleibt der Grundsatz der Offenheit solcher Zugriffe jedoch bestehen.

Bei einer offenen Beschlagnahme bestehe die Gefahr der Vereitelung oder Aufdeckung des Ermittlungserfolgs, wenn der Sinn bei einer heimlichen, gleichzeitig durchgeführten Strafverfolgung verloren ginge. In erster Linie gehe es um

• Handel mit Drogen, Hehlerware, Waffen und anderen verbotenen Gegenständen (im Internet und Darknet)

• Kinderpornografie

• Cyberkriminalität

• Staatsschutzdelikte

Auch eine Verschärfung der Regeln zur Beschlagnahmung der Post wird vom Kabinett angestrebt. Sie sieht vor, dass Ermittler zukünftig auch Auskunft von Postdienstleistern zu Postsendungen an oder von beschuldigten Personen verlangen können. Es geht um Briefe, Päckchen und Pakete, die sich noch nicht beim Serviceanbieter befinden oder bereits ausgeliefert worden sind. Im Sinne dessen, „eine effektive Strafverfolgung auch in Zeiten des vermehrten Online-Versandhandels zu gewährleisten“, sei dies wichtig. Insbesondere der Anstieg des Versands krimineller Ware „über das besonders abgeschottete Darknet“ könne mithilfe verschärfter Regeln zu einer besseren Aufklärung beitragen.

 

Quelle: www.heise.de

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