Autopiloten steuern Autos durch den Stau

Autopiloten steuern Autos durch den Stau

Macht Ihnen das Autofahren im zunehmenden Verkehr noch Spaß? Freude am Fahren, wie sie ein bekannter deutscher Automobilhersteller verspricht, bleibt im dichten Verkehr der Innenstädte meist auf der Strecke. Der Spaß geht flöten und Autofahren artet in Stress aus. Kein Wunder also, dass die Autohersteller die Arbeit an der Entwicklung von Autopiloten mit Hochdruck vorantreiben. Aber so ganz ohne Sie als Fahrer wird es auch zukünftig nicht gehen.

Das oben beschriebene Problem bezieht sich mittlerweile nicht nur auf den Stadtverkehr. Auch auf den Autobahnen ist gerade zu Zeiten des Berufsverkehrs keine vernünftige Fahrweise möglich. Oftmals hängt man schon nach kurzer Zeit im Stau fest und es geht nur im Schneckentempo voran – wenn überhaupt. Da ist Frust vorprogrammiert. Wäre es in so einer Situation nicht grandios, wenn Sie zur Zeitung oder zum Handy greifen könnten und das Auto sich ganz alleine den Weg durch den Verkehr bahnt?

Zugegebenermaßen werdenwir darauf noch längere Zeit warten müssen. Bei Mercedes wird bereits daran gearbeitet. „Wir haben erkannt, dass Autofahren nicht immer Lust, sondern manchmal auch Last ist, und wollen dem Fahrer die Möglichkeit geben, gewisse Aufgaben zu delegieren", so Jochen Hermann, Entwicklungsleiter von Fahrassistenzsystemen bei Mercedes. Auch die Konkurrenz arbeitet an einer schrittweisen Einführung des Autopiloten, der den Fahrer in bestimmten Situationen (fast) überflüssig macht.

Der Entwicklungsstand könne sich durchaus sehen lassen, wie Professor Raul Rojas (Freie Universität Berlin) erläutert. Dort wurden bereits unterschiedliche Fahrzeuge ohne Führung in einem Robotik-Projekt entwickelt. So gäbe es bereits eine automatische Notbremse, Unterstützung bei der Spurführung und Hilfe beim Einparken. Die Prototypen sind sogar in der Lage, noch mehr in dieser Richtung zu leisten.

Die ersten Autos ohne Fahrer fuhren bereits 2005 in der Nähe von Las Vegas durch die Wüste. Doch auch in Deutschland sind schon entsprechende Versuchsfahrzeuge aufden Straßen unterwegs gewesen. Rojas Studenten sitzen freihändig hinter dem Steuer ihres VW Passats und lassen sich durch Berlin kurven. „Doch generell befinden wir uns in einer Test- und Experimentierphase, und echte Produkte kristallisieren sich dabei nur langsam heraus“, so Rojas.

BMW hat ein Versuchsfahrzeug autonom über die Autobahn geschickt. Mercedes möchte mit der neuen S-Klasse in 2013 noch einen Schritt weiter gehen, so Entwickler Hermann. Das Fahrzeug wird dann zum ersten Mal mit einer Stereokamera ausgestattet sein. Sie kann räumlich sehen und deshalb auch in bestimmten Momenten das Steuer übernehmen. Der Fahrer könne dabei entspannen und sei am Ende des Staus wesentlich ausgeruhter, erklärt Hermann. Das klingt doch wunderbar, oder?

Auch Volvo möchte dem Autofahrer im Stau mehr persönlichen Freiraum geben. Forschungschef Paul Mertens, so war in der „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ zu lesen, arbeite mit seinem Team an der Entwicklung eines Systems, dass das Auto bis Tempo 50 radargeschützt an den vorausfahrenden Wagen „angehänge“. 2014 werde das System in Serie gehen.

Doch nicht nur in Europa, auch in Amerika ist die Forschung schon weit vorangeschritten. In Victorville (US-Militärstützpunkt) fahren schon seit Jahren autonome Autos in kontrollierter Umgebung umher. Sogar GOOGLE erforscht neueste Technik dank einer Sondergenehmigung auf öffentlichen Straßen an einem führerlosen Auto. Der Zulieferer Continental hat die ersten Dauertests abgeschlossen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nach Angaben von Continental wurden mit einem Prototypen auf öffentlichen Straßen und im hoch automatisierten Betrieb 6000 Meilen unfallfrei zurückgelegt.

Warum Sie bisher noch nicht in den Genuss des Autopiloten gekommen sind, erklärt Rojas so: „Die Sensoren sind für eine Serienausstattung noch zu teuer, vor allem wenn sie wirklich von guter Qualität sein sollen." Auch sei die Gesetzeslage noch nicht geklärt und die Umgebung müsse der autonomen Fahrweise angepasst werden. "Man braucht wie bei Flugzeugen eine Vernetzung zwischen den einzelnen Verkehrsteilnehmern und der Infrastruktur", gibt Rojas zu bedenken. "Das macht die Sache noch zu teurer."

Was wird sich durch eine autonome Fahrweise verändern? Momentan gehe es hauptsächlich noch um die technische Faszination und einen verbesserten Fahrkomfort des Einzelnen. Doch langfristig glauben die Entwickler einstimmig an einen gesellschaftlichen Nutzen. Hermann (Mercedes) sieht vor allem einen wichtigen Schritt in Richtung unfallfreies Fahren. Und Rojas formuliert seine Visionen aus:

"Autonome Autos werden in Zukunft wie Taxis sein, die wir uns alle teilen können. Wir brauchen kein eigenes Auto mehr, sondern lassen uns einfach abholen. In dieser Utopie ist der Verkehr immer flüssig, es gibt keine geparkten Autos mehr und viel weniger CO2-Ausstoß."

Doch Vorsicht vor zu viel Euphorie, was die persönlichen Freiheiten des Fahrers während der Autofahrt betrifft. In der Wiener Konvention von 1968, die bis heute ihre Gültigkeit hat, steht:

„Jeder Fahrer soll zu jederZeit sein Auto kontrollieren sowie rechtzeitige und angemessene Sorgfalt walten lassen können.“ Der Griff zum Handy oder zur Zeitung wie eingangs des Artikel beschreiben, bleibt also weiterhin tabu. Mercedes misst ganz exakt, ob die Hände das Lenkrad umfassen. Nach 10 Sekunden gibt das System Alarm, nach 15 Sekunden wird es abgeschaltet. So soll verhindert werden, dass sich der Fahrer zu sehr auf den Autopiloten verlässt.

Alles nur Zukunftsmusik? Bestimmt nicht! Doch es stellt sich die Frage, wann wir tatsächlich soweit sein werden, dass uns ein Auto abholt, um uns zum Arzttermin oder zum Einkaufen zu fahren. So wirklich vorstellen können auch Sie sich das noch nicht, oder?

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